Von Beruf: »Code Monkey«

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Die Adresse in der Peripherie Wiens deutet darauf hin, was auch bei den meisten anderen Startups sehr oft zu beobachten ist: Man legt wenig Wert auf Glanz und Glamour und setzt lieber auf sympathisch-gemütlich – uns gefällt´s!

Wir trafen die beiden Gründerinnen der CodeFactory Helen Monschein (2.v.l.) und Lisa Duschek (3.v.l.) mit den beiden Trainern Goran Stevic (links) und Igor Litajkovski in der Herklotzgasse 21 im 15. Wiener Gemeindebezirk.Im Hinterhof eines typischen Wiener Altbaus finden wir die CodeSchool der CodeFactory Vienna, die von Lisa Duschek, Christoph Pirringer und Helen Monschein gegründet wurde, um dem schlafenden heimischen Ausbildungssystem an den wunden Punkten unter die Arme zu greifen. Während hierzulande Eltern penibel darauf achten, dass ihre Kinder nicht überfordert werden, AHS-Lehrer Unterschriften gegen Gesetzesentwürfe sammeln, damit möglichst alles beim Status quo bleibt und Universitäten Absolventen in die Berufswelt entlassen, die den Praxisanforderungen nur zum Teil gerecht werden, setzten die drei im letzten Jahr ihre Idee um und schufen mit der CodeFactory einen Hotspot für Ausbildungswillige mit Weitblick.

Oder bedarf es eigentlich gar keiner allzu großen Portion Weitblick, um sich einer derartigen Ausbildung zu unterziehen? Schließlich werden diesbezüglich immer wieder eindeutige Zahlen und Fakten in den Medien kolportiert: „Laut EU-Kommission werden im Jahr 2020 europaweit eine Million (!) Programmierer fehlen“, weiß auch Mag. Helen Monschein zu bestätigen. Die gebürtige Steirerin machte ihren Abschluss in Kommunikationswissenschaften an der Uni Wien MBA sowie ihren MBA im Bereich Projektmanagement und lernte in den ersten Jahren ihrer Kariere bei Wirtschaftsunternehmen sehr rasch, dass der Digitalisierung die Zukunft gehört. Während Monschein zu erahnen begann, in welche Richtung der Zug fährt, machten sich Lisa Duschek und Christoph Pirringer auf den Weg in die USA, um sich im »Epicodus«-Bootcamp als Webdeveloper ausbilden zu lassen. Die Studentin der Rechtswissenschaft und BWL und der Absolvent der Montanuniversität Leoben schärften ihr Know-how in Portland, USA, kamen nach Österreich zurück und beschlossen, hierzulande Teil der Speerspitze der Digitalisierung zu werden. „Firmen suchen Softwareentwickler – finden aber keine. Unis bilden zwar IT-Fachleute aus – die Absolventen haben vom Programmieren aber relativ wenig Ahnung. Deswegen haben wir der Industrie auf den Zahn gefühlt und abgefragt, ob das von uns erwogene Ausbildungsformat ankommt. Es hat sich rasch herausgestellt, dass wir mit unserem Konzept richtig liegen und haben im November 2016 die CodeFactory gegründet“, rekapituliert Lisa Duschek für uns die Geschehnisse. Die drei Jungunternehmer bieten seither sowohl Kurse am Firmensitz in der Wiener Herklotzgasse 21 als auch »tailormade« – also für die Industrie speziell zugeschnittene Programme – unter anderem in Zusammenarbeit mit dem niederösterreichischen Mechatronik4.0-Cluster – an. Aber auch andere Zielgruppen greifen mittlerweile auf die Kompetenz der CodeFactory und ihrer Trainer Goran Stevic und Igor Litajkovsky zurück: „Es kommt immer häufiger vor, dass Arbeitssuchende den zweiten Bildungsweg einschlagen. Bei uns bekommen sie eine kurze, praxisorientierte Ausbildung, wodurch sie die Möglichkeit haben, sofort in den Beruf einzusteigen“, betont Lisa Duschek. Ein Statement, das von Helen Monschein noch unterstrichen wird: „Wir unterscheiden uns stark von dem, was hierzulande bereits geboten wird. Diese Art der praxisgerechten Ausbildung ist einzigartig. Unsere Trainer halten keine Vorträge, sondern unterstützen die Teilnehmer der Kurse bei der Umsetzung ihrer eigenen Projekte.“ Die Kursteilnehmer lernen somit am Praxisbeispiel und erarbeiten dabei ein eignes Portfolio, das sie bei Bewerbungen vorweisen können.

Mag. Helen Monschein hatte wichtige Gründe, die CodeFactory mit ihren Partnern ins Leben zu rufen: „Im Jahr 2020 werden europaweit eine Million Programmierer fehlen.“CodeFactory-Mitbegründerin Lisa Duschek ging mit Christoph Pirringer in die USA, um sich im »Epicodus«-Bootcamp als Webdeveloper ausbilden zu lassen.Die CodeFactory bietet neben eintägigen Grundkursen, in denen unter anderem HTML und CSS bzw. JavaScript unterrichtet werden und die den Teilnehmern Basics an die Hand geben sollen, um eine Website zu erstellen und zu gestalten, auch einen Kurs, den man nach 15 Wochen in Vollzeit-Klassenarbeit abschließt und um ein mehrwöchiges Praktikum in der Industrie ergänzt. Dieses Programm zum »Full Stack Web Developer« schafft die Voraussetzungen, um komplexe serverseitige Webanwendungen mit mächtigen relationalen Datenbanken im Hintergrund zu erstellen, heißt es auf der Website der CodeFactory. Wer den 15-wöchigen Kurs absolviert, hat laut Duschek die Kompetenz, um als Junior-Developer zu arbeiten zu beginnen: „Viele unserer Absolventen finden gleich nach Abschluss des Kurses einen Job, weil sie bereits während der praxisorientierten Ausbildung mit Unternehmen zusammen- bzw. für sie arbeiten.“ Die drei sind davon überzeugt, dass die Nachfrage der Wirtschaft in Zukunft noch größer wird. Schließlich plant man, auch Software-Development für C++, Python und ähnliche Sprachen anzubieten – das Portfolio und damit das Know-how der Kursteilnehmer wird damit noch breiter.

Ihren Bekanntheitsgrad steigern die Gründer der CodeFactory neben ihrer Präsenz im Internet wie der Website und über ihre Facebook-Page auch durch Messeteilnahmen auf der Berufsinformationsmesse Best. „Viele unserer Kontakte basieren vor allem noch auf »Face to Face« – als Startup haben wir klarerweise beschränkte Mittel“, meint Monschein. Trotzdem ist der Fokus klar auf Wachstum ausgerichtet: „Wir wollen größer werden, weitere Kursinhalte anbieten und den Bedarf an Arbeitskräften, die des Codings mächtig sind, mit Ausbildung auf hohem Level nachkommen“, so Duschek. Die Teilnehmer wollen die CodeFactory-Gründer dabei aus vielen Zielgruppen rekrutieren: „Wir haben bereits Studenten, Uni-Absolventen, Menschen, die sich nach vielen Jahren in ihrem Job neu orientieren wollen, bis hin zu Flüchtlingen oder Jugendlichen, die durch den sozialen Rost gefallen sind, in unseren Kursen begrüßen dürfen. Wir schränken uns nicht ein und die Ausbildung grenzt niemanden aus.“ Die Tageskurse können von allen Interessierten besucht werden. Die einzige Voraussetzung ist, dass man der englischen Sprache in ihren Grundzügen mächtig ist: „Die Kursunterlagen sind zwar auf Englisch – die Trainer sprechen aber auch Deutsch“, relativiert Duschek die Skills aber auch gleich wieder.

Learning by doing – das Konzept der CodeFactory sieht eine sehr praxisbezogene Ausbildung vor.Die CodeFactory möchte den Absolventen die Möglichkeit geben, ihr Leben in die Hand zu nehmen: „Theoretisch kann man sich mit der Ausbildung auf eine Insel in der Karibik zurückziehen und seine Arbeit von dort aus verrichten. Wie auch immer die Realität dann auch aussieht – wir wollen unseren Absolventen neben dem vermittelten Praxiswissen jedenfalls auch ein Stückchen Freiheit ermöglichen“, entlassen uns unsere Gesprächspartner Helen Monschein und Lisa Duschek schließlich in einen verregneten Apriltag in Wien mit sonnigen Perspektiven. Und dabei handelt es sich definitiv um Aussichten, die für jeden von uns real werden könnten – man muss nur die Möglichkeiten beim Schopf packen.

Anmerkung der Redaktion:
Wir nehmen nicht an, dass Sie, lieber Leser, zu den »Verdrängern« gehören – für jene, die die Digitalisierung und ihre Auswirkungen aber nicht für voll nehmen, wollen wir an dieser Stelle gerne noch einmal wiederholen, was aus unserer Sicht unausweichlich sein wird: Die klassischen Berufe werden den digitalen im Laufe der nächsten Jahre mehr und mehr weichen. Wer heute noch mit Studienrichtungen wie zum Beispiel der Rechtswissenschaft, Publizistik oder der Medizin beginnt, muss damit rechnen, dass die Chancen am Arbeitsmarkt nach Studienabschluss in ein paar Jahren geringer sein werden als jene von aktuellen Abgängern der angesprochenen Fakultäten. Denn über kurz oder lang werden AI-Systeme (Künstliche Intelligenz) Teile von Aufgaben dieser und anderer – hier aus Platzgründen nicht erwähnter – Berufsgruppen übernehmen. Ein Indiz dafür ist auch das Hereinbrechen der Industrie 4.0-Welle samt ihrer bedenklichen Auswirkungen für den Arbeitsmarkt und das Auftauchen von Begriffen wie »Vertrieb 2.0«. Demzufolge Systeme aus diesem Bereich das klassische Verkaufen künftig auf den Kopf stellen werden, wodurch auch immer mehr Vertriebsmitarbeiter samt Firmenautos am Abstellgleis landen werden. Hingegen werden besonders Programmierer und Experten für Cybersecurity-Systeme am Arbeitsmarkt gefragt sein. (Diese Zeilen widerspiegeln die Meinung des Chefredakteurs und der Herausgeber.)

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