Gegen den Klimawandel, für grüne Arbeitsplätze:

Photovoltaikbranche verlangt breite Forschungsinitiative

von Moritz Hell

Die Photovoltaik (PV) gilt als die vielversprechendste Technologie im Energiesektor. Prognosen zufolge wird sie sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten so rasant weiterentwickeln wie keine andere Technologie in diesem Bereich. Nicht trotzdem, sondern gerade deshalb sehen sich Fachleute den Stand der Forschung und Entwicklung in Österreich an.

Die weit verbreitete Nutzung der Photovoltaik zählt zu den Schlüsselfaktoren für den von der Europäischen Union geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien und die Energiezukunft Europas. Der »European Green Deal« als Maßnahme zur Abwendung der Klimakatastrophe erfordert eine Umstellung der Energiepolitik und insbesondere der veralteten Kraftwerksparks. Überdies ist bis 2050 mit einer Steigerung des Strombedarfs von bis zu 25 % zu rechnen, der vor allem auf den Ausbau der Elektromobilität und das Bevölkerungswachstum zurückführen ist. Für ein klimaneutrales Europa muss die Photovoltaiktechnologie daher auf bis zu 60 % der Stromerzeugung ausgebaut werden, was einer enormen Steigerung der jetzigen Photovoltaikenergie von mindestens 7.700 GW entspricht. Laut einer Studie von Solar Power Europe, dem europäischen Photovoltaikverband, kann die Klimaneutralität Europas mit einem Energiesystem aus 100 % erneuerbaren Energien schon vor 2050 kostensparend erreicht werden. Was (politische) Entscheidungsträger dazu wissen müssen: Das aktuelle, veraltete Energiesystem weiterzutragen kostet weit mehr als eine nachhaltige Investition in ein erneuerbares Energiesystem.

22 Millionen Jobs durch grüne Energie

Durch den Ausbau der Photovoltaik werden weltweit 22 Millionen Jobs in der Photovoltaikbranche prognostiziert, welche knapp zwei Drittel aller Arbeitsplätze im Bereich des Energiesektors ausmachen werden.

Herbert Paierl, Vorstandsvorsitzender von Photovoltaic Austria, spannt einen Bogen vom notwendigen Zubau zur Bedeutung der Forschung an der PV-Technologie: „Für die Erreichung der Zubauziele der Photovoltaik in Österreich müssen alle uns zur Verfügung stehenden Flächen genutzt werden. Hierzu braucht es vor allem Innovationen, die neuartige Anwendungen ermöglichen. Nur so kann es gelingen, Österreichs PV-Zubau zu versechsfachen“. Um im internationalen Wettbewerb weiterhin bestehen zu können, sind laufende Innovationen erforderlich. Österreich verfügt über erfolgreiche PV-relevante Forschungs- und Produktionsunternehmen in der Elektro-, Elektronik- und der Glas verarbeitenden Industrie, in der Gebäudetechnik sowie im Bausektor. Weltweit anerkannte »Hidden Champions« gibt es zum Beispiel für Wechselrichter und für die Verdrahtungen von Solarzellen.

Der Geschäftsführer der Kioto Solar, Alfred Mölzer, sagt dazu: „Unsere PV-Modulproduktion in Kärnten zählt zu den größten Produktionen in Europa. Wir investieren gerade 10 Millionen Euro am Standort St. Veit, um das Produktprogramm Photovoltaik in der Gebäudehülle auszubauen.“

Österreich steht gut da, aber

Bei der Qualität der Photovoltaikprodukte muss sich Österreich nicht verstecken. „Es ist alles an Know-how und Kapazität vorhanden, um weltweit ein wichtiger Player in der Photovoltaik zu sein“, sagt Gernot Oreski vom Polymer Competence Center in Leoben, der zu Photovoltaik forscht. Woran man das sieht? Unter anderem daran, „dass bei globalen Initiativen Österreicher und Partner der Technologieplattform Photovoltaik eine führende Rolle spielen.“

Eine Rolle für den europäischen Markt spielt das Unternehmen Ulbrich of Austria, das Verbindungslösungen für die Modultechnik liefert. „Wir sind mittlerweile der letzte Hersteller dieser Produkte in Europa“, sagt Geschäftsführer Peter Berghofer, „und der einzige Grund, weshalb es uns noch gibt, ist Forschung und Entwicklung.“ Die Lage seines Unternehmens ist sinnbildlich für die von Österreich: „Mit unserer Produktion von Zellverdrahtungen im Burgenland sind wir in einer Nische, in der wir es schaffen, am Weltmarkt unter den Führenden zu sein. Um diese Position halten zu können, ist laufende Weiterentwicklung unbedingt erforderlich.“

Während es für die Anschaffung von Photovoltaikanlagen mittlerweile eine relativ breite und gesicherte Förderung gibt, zeigt der Trend bei der Forschung und Entwicklung (F&E) von Photovoltaik in eine andere Richtung. „Es ist völlig unverständlich, dass die Fördermittel für technologiebezogene Photovoltaik-Forschung in den letzten Jahren jedoch deutlich rückläufig sind“, ist Hubert Fechner, Obmann der österreichischen Technologieplattform Photovoltaik, empört. Waren es 2016 noch über 11 Millionen Euro, die für die Photovoltaik-Forschung zur Verfügung standen, so erwartet die Technologiepattform für 2021 nur knapp 4 Millionen Euro. „Der Rückgang an Forschungsförderung führt dazu, dass international hoch anerkannte Forscherinnen und Forscher sowie die dazu benötigte Infrastruktur abzuwandern drohen“, warnt Fechner.

Für laufende Innovationen ist eine breit aufgestellte F&E-Infrastruktur notwendig, die auch durch entsprechende Forschungsprogramme des Bundes und der Länder unterstützt werden muss. Fechner fasst die Situation folgendermaßen zusammen: „Österreich hat mittlerweile ambitionierte Ziele, was die Errichtung von innovativen PV-Anlagen betrifft. Bei Forschung, Entwicklung und Produktion von Komponenten und Systemen bestehen große Chancen auf die Schaffung vieler heimischer Arbeitsplätze.“ Österreich hätte dabei die Chance, durch innovative Photovoltaik-Lösungen, die speziell im Bereich der Integration und Doppelnutzung im Gebäude-, Verkehrs- und Agrarbereich liegen, bis 2030 zumindest 60.000 Arbeitsplätze zu schaffen. Hinzu kommen noch tausende weitere Arbeitsplätze im Bereich der Stromspeicherung.

Innovationen dringend notwendig, um PV-Potential vollständig zu nutzen

Die Österreichische Technologieplattform Photovoltaik und die Interessenvertretung der Branche, Photovoltaic Austria, fordern daher gemeinsam von der Bundesregierung eine spezielle Photovoltaik-Forschungsinitiative, in der spezifische thematische Forschungs-Förderungen, aber auch aws-Basisprogramme sowie Instrumente des Klima- und Energiefonds gebündelt werden. Dringender und erhöhter Forschungsbedarf besteht in den wichtigsten Marktsegmenten der Bauwerkintegration (z.B. Industriebauten, Mehrfamilienhäuser), der Integration ins Energiesystem (z.B. Energiegemeinschaften), der Mobilität (Lärmschutz, Bahntrassen, Straßen und Verkehrsflächen) sowie der Landwirtschaft (Agrar-Photovoltaik und schwimmende Photovoltaik). In der Startphase sind dafür jährlich 40 bis 60 Millionen Euro an Forschungsförderung erforderlich, um den Innovationsstandort Österreich und das Ziel der Schaffung zehntausender österreichischer Green-Jobs im Bereich der innovativen Photovoltaiktechnologie zu ermöglichen und weiterhin international relevanter Wirtschaftsstandort zu bleiben.

www.pvaustria.at
www.tppv.at

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