Fachtagung Photovoltaik und Stromspeicherung:

„Die Ära der Photovoltaik hat begonnen“

von Moritz Hell

Zum ersten Mal richteten der Bundesverband Photovoltaik Austria und die Technologieplattform Photovoltaik diese Fachtagung gemeinsam aus. Was hat sich seit dem PV-Kongress vor einem halben Jahr verändert?

von Moritz Hell

Die Farbe Grün steht nicht nur für saubere Energie, sondern auch für Rapid Wien. Was liegt da näher, als die Fachtagung für Photovoltaik und Stromspeicherung im Stadion dieses Fußballklubs abzuhalten? Das könnte der Gedankengang gewesen sein, als der Bundesverband Photovoltaik Austria (PVA) und die Österreichische Technologieplattform Photovoltaik (TPPV) die Tagung planten. Es ist das erste Mal, dass die beiden Organisationen diese Veranstaltung gemeinsam ausrichten. Ob das der Grund für die dortige Euphorie ist, oder eher die steigende Wahrnehmung des Klimawandels im öffentlichen Leben, oder vielleicht die neuen Förderrichtlinien für Photovoltaik, lässt sich schwer beurteilen. Fest steht: Der Kongress im vergangenen März, den die Photovoltaik Austria alleine ausrichtete, war noch von Selbstkritik geprägt – zu schüchtern sei man, obwohl doch die Zeit der Erneuerbaren Energieträger längst gekommen sein müsste, hieß es damals. Die zweitägige Fachtagung Anfang November hingegen zeigt ein Bild von Optimismus und Selbstsicherheit.

Marko Topič gelingt es, diese Entwicklung zusammenzufassen: „Die Ära der Photovoltaik hat gerade erst begonnen“, sagt der Vorsitzende der Slowenischen und Europäischen Technologie- und Innovationsplattform für Photovoltaik in seiner Key Note. Eigentlich meint er damit die wirtschaftliche Entwicklung: „In den letzten beiden Jahren ist der Zubau in der EU auf 15 GWp zurückgegangen.“ Dieser Trend werde sich aber wieder umkehren, ist Topič sicher, denn die Preise für Photovoltaik sind drastisch gesunken. Verbesserungspotenzial gebe es dennoch – aber dazu später.

Warum Städte in der Klimafrage wichtig sind

Die vergangenen Sommer waren in weiten Teilen Europas von langen Hitzeperioden geprägt – einer der Gründe, weshalb das nun zu Ende gehende Jahrzehnt aller Voraussicht nach das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen sein wird. In Zukunft werden Großstädte von der Erwärmung noch stärker betroffen sein als ländliche Gebiete. Einer Studie der ETH Zürich zufolge wird es 2050 in Wien so heiß sein wie heute in Skopje. Nicht nur deswegen ist es wichtig, Lösungen für den urbanen Raum anzubieten – sondern auch, weil mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten lebt. Die Konsequenz dieses Verhältnisses? „75 % der CO2-Emissionen weltweit werden in Städten oder durch Dienstleistungen für Städte produziert“, erläutert Stefan Sattler von der Energieplanung der Stadt Wien, „das heißt, wenn man irgendwelche Klimaziele erreichen will, wird es zwingend notwendig sein, dass die Städte in der Umstellung auf erneuerbare Energiesysteme eine Vorreiterrolle einnehmen.“ Um die Emissionen zu senken, denkt Wien eine Kombination aus (Gebäude-)Begrünung und Photovoltaik (PV) an. „Es ist die effiziente Mehrfachnutzung einer in der Stadt verfügbaren Fläche“, argumentiert Sattler. Umgesetzt wird das noch nicht im erwünschten Ausmaß, denn bislang hat kaum ein PV-Planer oder -Errichter das Know-how, ein Gründach im Zusammenspiel mit PV zu entwerfen. Der Solarleitfaden der Stadt Wien soll dem gegenwirken.

Absurderweise scheinen die rechtlichen Rahmenbedingungen Klimazielen im Weg zu stehen. Das ist jedenfalls das Feedback einiger Planer im Workshop über Gebäudeklimatisierung, den Sattler am Schlusstag gemeinsam mit Marcus Rennhofer vom Austrian Institute of Technology (AIT) moderiert. Die Richtlinien 5 (Schallschutz) und 6 (Energieeinsparung) würden sich gegenseitig aushebeln. Dieser Kritik gibt Sattler indirekt recht: Der Klimawandel sei in den Normen nicht berücksichtigt. Auch, aber nicht ausschließlich deswegen plädieren Rennhofer und er nur dann für eine aktive Gebäudeklimatisierung, wenn eine passive nicht ausreicht. Rennhofer schlägt – „etwas ketzerisch“, wie er sagt – vor, Laubbäume auf Dächern zu pflanzen. Sie seien klimatechnisch „eine perfekte Synergie“, da sie im Sommer Schatten spenden und kühlen, im Winter aber ihre Blätter verlieren und dadurch die Sonne wärmend aufs Dach strahlen kann. Diese Lösung biete sich an, wenn PV-Module in die Fassade integriert sind.

Ist eine aktive Klimatisierung notwendig, muss man diese mit Augenmaß einsetzen. „Wir können die Klimaziele vergessen, wenn wir auf die Suffizienz vergessen“, sagt ein Diskussionsteilnehmer. Das einstimmige Fazit lautet, bei 33 Grad Außentemperatur ist es nicht nötig, ein Gebäude auf 21 Grad zu kühlen; 26 würden ausreichen.

Andere rechtliche Rahmenbedingungen wurden kürzlich beschlossen. Die erneuerte Investitionsförderung für PV-Anlagen beträgt nun 36 Millionen Euro statt zuvor nur 15 Millionen. 24 Millionen davon entfallen auf Module, 12 auf Speicher. Diese Zahlen präsentiert der Sektionschef des Nachhaltigkeitsministeriums, Michael Losch. Er verteidigt sein Ministerium gegen die Kritik an der schnellen Ausschöpfung der vorigen Förderung: Wenn der Gesetzgeber Fördersätze im Verfassungsrang beschließe, könne ein Amt diese nicht auf eigenen Willen senken. Doch der Sektionschef zeigt sich glücklich, dass die neue Regelung eine breitere Förderung ermöglicht; es soll verhindert werden, dass Großanlagen der Fördertopf leeren. „Ich glaube, es ist damit insgesamt gerechter“, sagt er. Auch die Abschaffung des First-come-first-serve-Prinzips bei der Tarifförderung trage zu einer höheren Gerechtigkeit bei. Langfristig hält Losch es für möglich, dass Förderungen nicht mehr notwendig sind.

Im Zuge der Energiewende werden Speicher wichtiger, sie stellen teilweise eine Alternative zum Netzausbau dar, da durch sie das Stromnetz geringer belastet wird. Diese Fähigkeit haben auch Schwungradspeicher. Wien Energie hat in Kooperation mit dem Start-up Chakratec eine Ladestation für E-Autos errichtet, die sich dieser Technologie bedient. Die großen Vorteile der Schwungradspeicher: Sie ermöglichen Schnellladungen, ohne das Stromnetz übermäßig zu belasten, und haben eine hundertmal höhere Zyklenzahl als chemische Batterien.

Den Zusammenhang zwischen PV und Elektromobilität beschreibt Florian Maringer genauer. Die Photovoltaik, vermutet der Geschäftsführer des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreich, sei jahrzehntelang konsequent unterschätzt worden. „Wenn man 2005 gesagt hätte, dass sich die PV mit der Geschwindigkeit durchsetzt, mit der sie sich tatsächlich durchsetzt, wäre man als Ökofundamentalist bezeichnet worden.“ So habe etwa die Internationale Energieagentur – die gegründet worden war, um die Industrien Gas und Erdöl zu unterstützen – jedes Jahr ihre Prognosen zur PV drastisch nach oben korrigieren müssen. „Falsch ist ein Hilfsausdruck“, resümiert Maringer und sorgt damit für Gelächter im Saal. (Vera Immitzer, die Geschäftsführerin des PVA, sollte ihm später für seine humorvolle Moderation danken.) Im Gegensatz zur PV haben fossile Energien wohl 150 Jahre ihnen förderliche Rahmenbedingungen gefunden. Doch „Technologien brauchen politische Rahmenbedingungen“, hält Maringer fest.

Solche Rahmenbedingungen findet nun die Elektromobilität in China vor. Das Land hat schärfere Emissionsrichtlinien verabschiedet, weil man in chinesischen Städten nicht mehr atmen konnte. Die westliche Autoindustrie wurde so zu einer Entscheidung gezwungen: Autos herstellen, die (lokal) emissionsfrei fahren, und damit vom Erdöl abkehren, oder auf einen riesigen Markt verzichten? Die Autokonzerne entschieden sich dazu, 21 Milliarden Euro am chinesischen Markt in die E-Mobilität zu investieren. Im Fahrwasser dieser Investitionen verändert sich auch der europäische Markt. VW beispielsweise plant, in Europa 50 Milliarden Euro in die Elektromobilität zu stecken.

Speicher und aus PV gewonnene Energie sind nicht nur im Individualverkehr von Nutzen. „Wenn wir die Klimakrise ernst nehmen, müssen wir uns auch mit dem öffentlichen Verkehr beschäftigen“, leitet Florian Maringer vom Dachverband Erneuerbare Energie den Vortrag von Thomas Grasl ein. Grasl präsentiert ein Forschungsprojekt der ÖBB, den Cityjet Eco. Der batterieelektrische Hybridzug, an dem gemeinsam mit Siemens geforscht wird, kann nichtelektrifizierte Strecken fahren, die derzeit noch von Dieselfahrzeugen bewältigt werden. Die Erkenntnisse aus dem Testbetrieb würden bereits ausreichen, um aus dem Prototypen ein Serienfahrzeug zu machen. „Wir wollen ihn aber noch verbessern“, sagt Grasl. So soll etwa die Geschwindigkeit im nichtelektrifizierten Betrieb von 100 km/h beim Prototypen in der serialen Lösung bei 120 km/h liegen.

Was passiert mit einem ausgedienten PV-Modul?

PV-Module sind zwar langlebig, doch auch sie erreichen eines Tages das Ende ihrer Lebensdauer. Mit dem, was danach passiert, und mit der Verlängerung dieser Lebensdauer, beschäftigt sich Gernot Oreski. „Spätestens 2050 kommt eine wirklich große Menge an End-of-life-Modulen auf uns zu“, sagt er. 60-70 Millionen Tonnen Abfall werden diese Module schätzungsweise verursachen. In Oreskis Arbeitsstätte, dem Polymer Comeptence Center Leoben, versucht er, die Nachhaltigkeit von PV-Modulen zu erhöhen und die Recyclingmethoden zu verbessern. Ersteres definiert er so: „Nachhaltig ist, wenn man die Produktlebensdauer erhöht.“ An den aktuellen Recyclingmethoden lässt er kein gutes Haar. Die Module werden geschreddert, lediglich der Rahmen wird demontiert. „Damit hat man die vorgeschriebene Recyclingquote von 80 Prozent gewichtsmäßig schon erfüllt.“ Das Problem an dieser Methode: „Das meiste endet im Downcycling.“ Denn durch das Schreddern entsteht Metallabrieb, der das Glas verunreinigt; eine Wiederverwendung als Solarglas ist dann nicht mehr möglich. Oreski verlangt daher, den Recyclingprozess anders zu gestalten. Das erfordert allerdings eine neue Zusammensetzung des Moduls. „Man muss die Komplexität rausnehmen. Je weniger Materialkombinationen, desto leichter ist es, Materialien zu recyceln.“ Die Komplexität betrifft auch die Verbindungstechniken. „Eine Verklebung ist aus recycletechnischem Standpunkt das Blödeste, was man machen kann.“ Sinnvoller wären Materialien, die verschiedene Recyclingprozesse ermöglichen, wie das Schmelzen.

Eine höhere Recyclingquote bedeutet aber nicht automatisch einen geringeren CO2-Fußabdruck, warnt Oreski. „Leider sind manche Recyclingprozesse auch nicht die saubersten.“ Es gelte, abzuwägen, was umweltfreundlicher ist.

Die größten Fortschritte scheint sich die PV-Branche allerdings in der Systemtechnik zu erhoffen. Das zeigt der Workshop zu Modulinnovationen, den Stephan Abermann vom AIT leitet. Die folgende Wortmeldung eines Teilnehmers, der die Systemtechnik nach wie vor auf „Steinzeit“-Niveau sieht, erhält Zuspruch: „Wir verbinden immer noch die zwei Leitungen, die aus dem Modul kommen, wie vor 40 Jahren miteinander.“

Zum Abschluss der Tagung ziehen die Verantwortlichen hochzufrieden Bilanz. Wie Immitzer und Hubert Fechner, Obmann der TPPV, bekanntgeben, waren 670 Personen auf der Tagung. Das spornt Fechner zu hohen Zielen an: „Für nächstes Jahr haben wir vor, das Rapid-Stadion im Zuschauerraum zu füllen.“ Dieser bietet Platz für rund 28.000 Menschen. Doch davor liegt noch der PV-Kongress am 19. März.

www.pvaustria.at

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